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Ceausescus Reichtum hatte einen Namen: Raffgier

Nach und nach fördern Untersuchungsausschüsse Details über die Transaktionen des rumänischen Diktators zutage

Von BORIS KALNOKY

In 71 Lebensjahren verdiente Nicolae Ceausescu nie eigenes Geld. Dennoch galt der Conducator als einer der reichsten Männer der Welt. Vor sechs Jahren wurde er hin- gerichtet. Sein Leben beschäftigt Rumänien noch heute.

Bukarest - Seit der Erschießung des Tyrannen zählt die Frage nach seinem Vermögen zu den meistumflüsterten Rätseln der rumänischen "Revolution" des Jahres 1989. Im Schauprozeß gegen Nicolae Ceausescu und seine Frau Elena im Dezember 1989 beschuldigten ihn seine Richter und Henker unter anderem, eine Milliarde Dollar außer Landes gebracht zu haben. Der in den siebziger Jahren übergelaufene Securitate-Chef Ion Pacepa gab den Kontostand des Diktators für das Jahr 1978 mit 400 Millionen Dollar an. Wo aber ist all dieses Geld heute? fragen die Rumänen. Und auch die Frage, die davorsteht, klärt sich erst nach und nach: Woher stahl es Ceausescu?

Nicolae Ceausescu wurde am 26. Januar 1918 in der Walachei geboren. Der Mann, der sich später gerne als "Führer" und "Genie der Karpaten" feiern ließ und der heute als einer der grausamsten Staatsmänner der neueren Geschichte gilt, begann seine Karriere als Schusterlehrling. Sein Lohn bestand aus Kost und Logis. Als junger Mann befand er sich stets entweder im kommunistischen Untergrund oder im Gefängnis. Ein eigenes Einkommen hatte er nicht.

Nach dem Krieg sorgte die Partei für ihn. Nicolae Ceausescu brüstete sich gerne damit, nie etwas in einem Laden gekauft zu haben. Als er Staats- und Parteichef wurde, verzichtete er auf jegliches Gehalt. Mit der Begründung: "Mein Leben ist dem Weltproletariat gewidmet." Sieben Jahre nach seinem Aufstieg zur absoluten Macht begann er sich nach Angaben des ehemaligen Geheimdienstmannes Pacepas um seine Altersvorsorge zu kümmern. 1971 richtete Ceausescu erstmals ein geheimes privates Konto ein, mit der Bezeichnung "TA"; dahinter folgte im Kürzel die Jahreszahl. Auf "TA-78" lagen Pacepa zufolge 400 Millionen Dollar. Verbraucht hatte Ceausescu in dieser Zeit "nur" vier Millionen Dollar. Damit habe der Staatsmann, während Rumänien den wirtschaftlichen Niedergang des Landes erlebte, etwa seiner Frau Elena Juwelen oder seinen drei Kindern Autos gekauft.

Das Geld kam, so Pacepa, größtenteils aus dem "Verkauf" von Juden und Deutschen an deren jeweilige Regierungen. Ceausescu habe öfter gewitzelt, Erdöl, Deutsche und Juden seien Rumäniens lohnendste Exportartikel. Schon Ceausescus Vorgänger Gheorghe Gheorghiu-Dej (1901-1965) hatte Juden im Tausch gegen die Lieferung von Geflügelfarmen und anderer agrarwirtschaftlicher Betriebe durch Israel auswandern lassen.

Ceausescu beendete dies nach seiner Machtübernahme 1965, ließ das Geschäft zwei Jahre später jedoch wiederaufleben. Ihm ging es jedoch um Geld. Der Preis für ein Ausreisevisum betrug zwischen 2.000 und 50.000, manchmal gar 250.000 Dollar - je nach "Marktwert" der betroffenen Person. 1974 ging bei einer Transaktion ein israelischer Geldkoffer auf dem Züricher Flughafen verloren; einige Tage später wurde er gefunden - er enthielt mehr als eine Million Dollar. Bald schlug Ceausescu auch der deutschen Regierung vor, Rumäniendeutsche gegen Geld ausreisen zu lassen. 1972 ging er dazu über, jeden dieser Auswanderer zusätzlich eine Verpflichtungserklärung gegenüber der Securitate unterschreiben zu lassen.

Weiteres Geld, das nicht im Staatshaushalt, sondern bei der Familie Ceausescu landete, kam aus dem systematischen Verrat an der Sowjetunion. Über Ceausescus Brüder Ilie, damals Vizeverteidigungsminister, und Ion, Staatssekretär mit Zuständigkeit für den Wirtschaftsplan, erhielt der amerikanische Geheimdienst CIA nach Angaben der "Washington Post" sowjetische Waffensysteme. Die Gebrüder Ceausescu bestanden darauf, daß 20 Prozent der CIA-Honorare auf "ihre" Schweizer Konten überwiesen werden sollten.

Drei verschiedene Untersuchungsausschüsse haben sich in Bukarest seit Ceausescus Sturz mit dessen vermutete Geheimkonten beschäftigt. Konkrete Hinweise auf den Verbleib des Geldes fand keiner von ihnen. Doch der gegenwärtige Ausschußvorsitzende Gabrielescu ist kein Mann, der gerne in Vergessenheit gerät. Zwar ist seine Arbeit offiziell vertraulich; aber regelmäßig wendet er sich an die Presse, um, wie er sagt, Vertuschungen durch interessierte Kreise zu erschweren.

Nach Gabrielescus Angaben gibt es konkrete Hinweise auf eine Milliarde Dollar auf zwei amerikanischen Konten Ceausescus bei der Rumänischen Außenhandelsbank. Als einzige Quelle dafür nennt er den früheren rumänischen Ministerpräsidenten Theodor Stolojan. Dieser war unter Ceausescu zuständig für staatliche Devisentransaktionen und wurde 1991 Ministerpräsident der postkommunistischen Regierung in Bukarest. Gabrielescu zufolge hat Stolojan ausgesagt, Indizien für den Verbleib von einer Milliarde Dollar Ceausescus gefunden zu haben. Darüber hinaus gebe es Hinweise darauf, daß sich Ex-Geheimdienstler nach der Revolution an diesen Konten bedient hätten, um in Rumänien Firmen zu gründen.

Von all dem wisse er nichts, sagt Stolojan. Im Gespräch mit der WELT präzisierte er, es gebe wohl eine Verwirrung zwischen "Privatkonten" und solchen zur Verfügung des Staats- und des Parteichefs. Natürlich habe Ceausescu über diese beiden Konten bei der Rumänischen Außenhandelsbank verfügen können. Das meiste Geld sei jedoch in den späten Jahren seiner Regierung verwendet worden, um Rumäniens Schulden im Ausland vorzeitig zurückzuzahlen. Es war eine Obsession: Damit mehr in den Westen exportiert werden konnte, mußte sein Volk jahrelang hungern.

Die neue Führung um Präsident Iliescu, so Stolojan, habe mit dem Rest des Geldes nach der "Revolution" von 1989 dringend benötigte Konsumgüter für die Bevölkerung importiert. Über geheime Schweizer Konten oder Geheimdienstler, die sich daran bedient hätten, wisse er nichts. Gabrielescu habe ihn wohl falsch zitiert. Auch wisse er nicht, wieviel Geld gegenwärtig auf den beiden erwähnten Konten der Außenhandelsbank sei.

Für Stolojan ist das Rätsel um Ceausescus Millionen weitgehend gegenstandslos - für die Medien und die Menschen noch lange nicht. Zwar sucht das jahrzehntelang gebeutelte Land seit einiger Zeit schon seinen Weg in die Zukunft. Mitte vergangenen Jahres trat beispielweise ein Gesetz in Kraft, daß die Privatisierung beschleunigen soll - für viele eine Herausforderung, für manche ein Buch mit sieben Siegeln. Eines der aufregendsten Geheimnisse allerdings ist immer noch die Frage nach Ceausescus Millionen. (SAD)

 


DIE WELT - Freitag, 16. Februar 1996 - Ausland

 

       
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