| Die Proklamation von Temeswar |
Die Bevölkerung der Stadt Temeswar war der Initiator der Rumänischen Revolution. Sie führte zwischen dem 16. und 20. Dezember 1989 allein einen unerbittlichen Krieg gegen eines der stärksten und grässlichsten Unterdrückungssysteme der Welt. Es war eine schreckliche Spannung, die nur wir Temeswarer in ihrem wirklichen Ausmass kennen. Auf der einen Seite die unbewaffnete Bevölkerung, auf der anderen die Securitate, die Miliz, die Armee und die diensteifrigen Truppen der Parteifunktionäre. Alle Unterdrückungsmittel und Methoden erwiesen sich als unwirksam vor dem Freiheitsdrang der Temeswarer und ihrer Entschiedenheit zu siegen. Weder die Verhaftungen, noch die Belästigungen, ja nicht einmal der Massenmord, konnte sie aufhalten. Jede gefeuerte Kugel brachte weitere hundert Kämpfer auf die Barrikaden der Revolution. Und wir haben gesiegt. Am 20. Dezember 1989 geriet Temeswar vollkommen unter die Herrschaft der Bevölkerung und wurde somit eine freie Stadt in dem grossen Gefängnis, in das sich Rumänien in jenen Tagen verwandelt hatte. Die gesamte Tätigkeit der Stadt wurde seitens der Rumänischen Demokratischen Front, zu jenem Zeitpunkt Exponent der Temeswarer Revolution, von der Tribüne auf dem Opernplatz aus geleitet. Am selben Tag verbrüderte sich die Armee mit den Demonstranten und beschloss gemeinsam mit ihnen den erzielten Sieg zu verteidigen. Am 21. Dezember riefen auf dem Opern Platz mehr als hunderttausend Stimmen: "Wir sind bereit zu sterben." Mehrere Ereignisse, die besonders nach dem 28. Januar 1990 in Rumänien stattfanden, stehen im Gegensatz zu den Idealen der Temeswarer Revolution. Diese Ideale wurden der rumänischen Öffentlichkeit nur teilweise und konfus durch die zentralen Massenmedien bekanntgemacht. Unter diesen Bedingungen fühlen wir, die unmittelbar an allen Ereignissen in der Zeitspanne 16. bis 22. Dezember 1989 Beteiligten, uns verpflichtet, der gesamten Nation zu erklären, warum die Temeswarer die Revolution entfachten, wofür sie kämpften, wofür viele ihr Leben opferten, wofür wir auch weiter kämpfen wollen, um jeden Preis und gegen jedermann, bis zum endgültigen Sieg.
1. Die Temeswarer Revolution war vom Anfang an nicht nur gegen Ceausescu sondern entschieden auch gegen dem Kommunismus gerichtet. Während des ganzen Ablaufes der Revolution wurde hunderte Male gerufen: "Nieder mit dem Kommunismus!". Im Einklang mit den Bestrebungen Hunderter Millionen von Menschen aus Osteuropa forderten auch wir die vollständige Abschaffung dieses totalitären und gescheiterten sozialen Systems. Das Ideal unserer Revolution war und bleibt die Rückkehr zu den wirklichen Werten der Demokratie und der europäischen Zivilisation. 2. An der Temeswarer Revolution nahmen alle gesellschaftlichen Kategorien teil. Auf den Strassen Temeswars fielen von den Kugeln niedergemacht, nebeneinander Arbeiter, Intellektuelle, Beamte, Studenten, Schüler, Kinder und sogar Dorfbewohner, die der Revolution zu Hilfe gekommen waren. Wir sind entschieden gegen die typisch kommunistische Weise, durch Verfeindung der Gesellschaftsklassen und der sozialen Kategorien zu herrschen, Aufgrund der Ideologie des Klassenkampfes kamen 19l7 die Bolschewisten an die Macht, aufgrund derselben Ideologie hetzten die rumänischen Kommunisten nach 1944 die Gesellschaftsklassen gegeneinander auf, schufen Zwiespalt in der Gesellschaft, um sich leichter dem Terror zu unterwerfen. Wir warnen vor der Gefahr der Wiederholung dieser törrigen Geschichte und rufen die Arbeiter, Intellektuellen, Studenten, Bauern sowie alle sozialen Kategorien zu einem zivilisierten und konstruktiven Dialog auf, um die Einheit aus der Zeit der Revolution unverzüglich wiederherzustellen. Es muss von der Tatsache ausgegangen werden, dass alle diese sozialen Kategorien während des kommunistischen Regimes unterdrückt waren und dass heute keine der anderen feindlich gesinnt ist. 3. An der Temeswarer Revolution Beteiligten sich Menschen aller Altersstufen. Wenn auch die Jugend überwiegend war, müssen wir anerkennen, das die Menschen jeden Alters mit derselben Entschlossenheit für die Sache der Revolution kämpften. Die Liste der Opfer, wen auch unvollständig, ist ein Beweis dafür. 4. Für den Sieg der Temeswarer Revolution opferten sich ausser Rumänen auch Ungarn, Deutsche, Serben und Vertreter anderer ethnischen Gruppen, die seit Jahrhunderten friedlich und in gutem Einvernehmen miteinander in unserer Stadt leben. Temeswar ist eine Rumänische und europäische Stadt, in der die Nationalitäten den Nationalismus stets ablehnten und ihn auch weiterhin ablehnen. Wir laden alle Chauvinisten des Landes, ganz gleich, ob Rumänen, Ungarn oder Deutsche sind, nach Temeswar ein zu einem Lehrgang der Umerziehung zu Toleranz, zu gegenseitiger Achtung, da dies die einzigen Prinzipien sind, die in den zukünftigen Haus Europas herrschen werden. 5. Schon am 16. Dezember, in den ersten Stunden der Revolution, hiess eine der am häufigsten gerufenen Losungen: "Wir wollen freie Wahlen!". Die Temeswarer traten und treten für die Idee des politischen Pluralismus ein. Wir sind uns dessen bewusst, da8 es ohne starke politische Parteien keine wirkliche Demokratie europäischen Typs geben kann. Mit Ausnahme der extremistischen links- und rechtsgerichteten Parteien sind in Temeswar alle Parteien existenzberechtigt. In unserer Stadt wurde der Sitz keiner politischen Partei angegriffen oder zerstört, es wurden auch keine Mitglieder einer Partei bedroht, beschimpft aber verleumdet. Die Mitglieder der politischen Parteien sind unsere Mitbürger, unsere Arbeitskollegen, unsere Freunde, die ihre eigenen politischen Ansichten haben. Die europäische Demokratie bedeutet der freie Ausdruck der politischen Ansichten, der zivilisierte Dialog zwischen den Vertretern dieser Ansichten und der loyale Wettstreit. In den osteuropäischen Ländern, in denen die kommunistischen Parteien ein Minimum an Anstand bewahrt haben, scheut die Gesellschaft sich im Prinzip, doch sie duldet sie. Bei uns jedoch gelangte die kommunistische Partei bis zum Massenmord und dadurch schliess sie sich aus der Gesellschaft aus. Wir werden sie unter keinen Umständen dulden, ganz gleich unter welcher Bezeichnung sie es versuchen wurde, wieder zu entstehen. 6. Nach vier Jahrzehnten ausschliesslicher kommunistischer Erziehung und Propaganda gibt es im Bewusstsein aller Vorurteile, die dieser Ideologie angehören. Das Vorhandensein dieser Vorurteile ist nicht die Schuld der Betroffenen. Aber ihre Manipulation durch Gruppen, die an der Wiedergeburt des Kommunismus und an dessen Machtergreifung interessiert sind, ist es eine kontrarevolutionäre Tat. Auf der am 28. Januar 1990 den Demonstranten vom Banu-Manta-Platz in Bukarest verteilten Listen von Losungen, standen auch Schlagworte von vor 45 Jahren. Die Gleichstellung "historischer", Parteien beispielsweise mit Parteien die das Land verkaufen wollen, ist ein solcher Slogan und stellt eine Verleumdung dar. Die Kommunisten von vor 45 Jahren, von denen einige auch heute noch bedeutende Ämter in der Führung des Landes begleiten, können des Landesverrates und der Auslieferung Rumäniens an die UdSSR beschuldigt werden. Sie sind jene, die damals riefen: "Stalin und das russische Volk haben uns die Freiheit gebracht!" Die Mitglieder der historischen Parteien hingegen haben sich der Umwandlung Rumäniens in einen Satelliten Moskaus widersetzt und Einige haben dieses Wagnis mit dem Leben bezahlt. Es ist notwendig, schnellstens eine kurze aber korrekte Geschichte der Periode 1944-1950 zu schreiben und diese in Massenauflage zu verbreiten. 7. Temeswar startete die Revolution gegen das gesamte kommunistische Regime und gegen dessen gesamte Nomenklatura, aber keinesfalls um die Revolution als Mittel des politischen Aufstiegs einer Gruppe gegen Ceausescu gerichteter Dissidenten aus den Reihen der Rumänischen Kommunistischen Partei zu benutzen. Die Anwesenheit dieser an der Spitze des Landes macht den Tod der Temeswarer Helden sinnlos. Wir hätten sie vielleicht vor 10 Jahren akzeptiert, wenn sie sich beim XII. Parteitag an die Seite Constantin Parvulescus gestellt und den Diktatorenklan gestürzt hätten. Sie taten es nicht, obwohl sie die Gelegenheit dazu hatten, ebenso bedeutende Ämter begleiteten, die ihnen die Prarogative dazu lieferten. Doch einige von ihnen befolgten sogar den Befehl des Diktators und beschimpften die Dissidenten. Ihre Freiheit von damals, band uns noch 10 Jahre Diktatur auf, die schwersten der gesamten Epoche, dazu noch einen schmerzlichen Massenmord. 8. Als Folge des vorhergehenden Punktes schlagen wir war, dass das Wahlgesetz für die ersten drei aufeinander folgenden Legislaturperioden den ehemaligen Funktionären der Rumänischen Kommunistischen Partei und Securitate Offiziere jedwelche Kandidatur versagt. Ihre Anwesenheit im politischen Leben des Landes ist die Hauptquelle der Spannungen und des Misstrauens, die heute die rumänische Gesellschaft bewegen. Bis zur Stabilisierung der Lage und bis zur nationalen Versöhnung ist es unbedingt notwendig, sie aus den Öffentlichen Leben auszuschliessen. Wir fordern ausserdem einen Sonderparagraphen im Wahlgesetz, der den ehemaligen kommunistischen Funktionären die Kandidatur für des Amt das Landespräsidenten verbietet. Der Präsident Rumäniens muss eines der Symbole unseres Lossagens vom Kommunismus sein. Parteimitglied gewesen zu sein ist keine Schuld. Wir alle wissen, wie sehr das Leben jedes einzelnen vom roten Büchlein bedingt war, beginnend mit den beruflichen Werdegangs bis zur Erlangung einer Wohnung. Wir wissen noch welche schweren Folgen die Rückgabe des roten Büchleins hatte. Die Funktionäre waren jedoch jene Menschen, die ihren Beruf aufgaben, um der kommunistischen Partei zu dienen und sich der besonderen materiellen Privilegien zu erfreuen, welche diese bot. Wir schlagen die Reduzierung der Vorzüge dieses Amtes vor, nach den Muster vieler zivilisierter Länder der Welt. Demnach können wir für das Präsidentenamt auch markante Persönlichkeiten des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens ohne besondere politische Erfahrung kandidieren. Ebenfalls in diesem Zusammenhang schlagen wir vor, dass die erste Legsilaturperiode nur zwei Jahre beträgt. Diese Zeit ist notwendig für die Festigung der demokratischen Institutionen und die Klärung der ideologischen Position der vielen nun aufgetretenen Parteien. Erst danach könnten wir eine Wahl mit voller Kenntnis der Sachlage und mit offenen Karten treffen. 9. Die Temeswarer machten keine Revolution zwecks Erlangung höherer Löhne und anderer materieller Vorteile. Dafür hätte ein Streik genügt. Wir alle sind mit den Entlohnungssystem unzufrieden; es gibt auch in Temeswar Arbeiter, die unter ausserst schwierigen Bedingungen arbeiten und schlechte Löhne haben (beispielsweise jene, die in Giessereien oder in der Waschmittelindustrie tätig sind), trotzdem hat keine Belegschaft einen Streik ausgerufen, um höhere Löhne zu erzielen, und hat auch keine Abgeordneten nach Bukarest geschickt, die mit der Regierung ausschliesslich über materielle Forderungen verhandeln sollen. Die Mehrheit der Temeswarer kennt das, was die Ökonomisten in diesen Tagen dem Land zur Kenntnis bringen wollen. Die Erhöhung der Löhne zu diesem Zeitpunkt würde sofort die Inflation auslösen, so wie das in manchen Osteuropäischen Staaten der Fall war. Und ist die Inflation mal ausgelöst, braucht man Jahre der Anstrengungen, um sie aufzuhalten. Nur das Anwachsen der Produktion, also der Menge an Waren, die sich auf den Markt befinden, ermöglicht gleichzeitig die allgemeine Anpassung der Löhne. Noch mehr, wegen des armen Budgets Rumäniens muss jetzt die Wiederherstellung eines minimalen Niveaus an Zivilisation Vorrang haben. Es sind beispielsweise dringende Investitionen im Bereich der ärztlichen Betreuung und der Salubrität notwendig. 10. Obzwar wir für die Wiedereuropäisierung Rumäniens kämpfen, wollen wir nicht die westlichen kapitalistischen Systeme nachahmen, die ja auch ihre Mängel und Rechtswidrigkeiten haben. Wir sind aber entschieden für die Privatinitiative. Die wissenschaftliche Grundlage des Totalitarismus war die Allmacht des Staatseigentums. Wir werden niemals politischen Pluralismus haben, wenn wir keinen wirtschaftlicher Pluralismus haben. Es gab Stimmen, die im Sinne des Kommunismus die Privatinitiative mit Ausbeutung gleichsetzen und mit der Gefahr der Katastrophe des Auftretens reicher Leute. In diesem Sinne wird der Neid des Faulen und die Arbeitsscheu des ehemaligen kommunistischen Betrieb von Privilegierten ausgenützt. Ein Beweis dafür, dass sich die Temeswarer vor der Privatisierung nicht fürchten, ist die Tatsache, dass mehrere Betriebe bereits ihre Absicht bekundeten, sich in anonyme Aktiengesellschaften zu verwandeln. Damit solche Aktien mit unbeschmutzten Geld gekauft werden, müssten in jeder Stadt Kommissionen gegründet werden zwecks Bestandsaufnahme der Korruption. Ebenso sollen die Aktien eines Betriebes zuerst seinen Arbeitern zum Ankauf angeboten werden. Wir sind auch für eine radikalere Idee der Privatisierung durch eine gleiche Aufteilung der Aktien an alle Arbeitnehmer eines Betriebes, wobei der Staat nur jenen Prozentsatz an Fonds behält, der ihm die Aufsicht über die Tätigkeit sichert. Auf dieser Weise würden sich allen Arbeitnehmern die gleichen Chancen des Wohlstandes bieten. Wenn die Arbeitsscheuen ihre Chance verlieren würden, könnten sie sich nicht über Diskriminierung beklagen. 11. Temeswar ist entschlossen, das Prinzip der wissenschaftlichen und administrativen Dezentralisierung ernst anzuwenden. Es wurde auch schon vorgeschlagen, ein eigenes Modell der Marktwirtschaft zu experimentieren, ausgehend von den hier vorhandenen starken Wirtschaftseinheiten und der Kompetenz der Fachleute aus diesem Landteil. Damit schneller und leichter ausländisches Kapital, insbesondere in Form von Technologien und Sonderrohstoffen, herangezogen und die Schaffung gemischter Gesellschaften ermöglicht werden kann, fordern wir auch auf diesem Wege die Gründung einer Filiale der Aussenhandelsbank in Temeswar. Ein Teil des Valutaeinkommens der rumänischen Seite dieser Gesellschaften wird in die Löhne der Arbeiter einbezogen, und zwar in einem Prozentsatz, der von Fall zu Fall mit den Gewerkschaftsführern ausgehandelt wird. Dies wird die materielle Kointeressierung der Arbeiter fordern. Ausserdem werden die Pläne nicht mehr nur in den Schubladen liegen bleiben. Eine weitere positive Folge war das Sinken des Valutakurses an der freien Börse, was ein sofortiges Anwachsen des Lebensniveaus der Menschen mit sich bringen würde. 12. Nach der Zerschlagung der Diktatur wurden alle Rumänen aus dem Exil aufgefordert, ins Land zurückzukehren, um beim Wiederaufbau mitzuhelfen. Einige sind schon zurückgekehrt, andere haben mitgeteilt, dass sie zurückkehren wollen. Leider gab es Menschen, die, aufgewiegelt von zwielichtigen Kräften, die aus dem Exil Zurückkehrten, als Verräter bezeichneten, sie fragten was sie in den letzten zehn Jahren gegessen hätten. Diese Haltung gereicht uns nicht zur Ehre. In der Verzweiflung, in der wir in den letzten vierzig Jahren lebten, gab es vielleicht keinen Rumänen, der nicht wenigstens einmal der Gedanke kam, ins Exil zu gehen, um der Misere zu entkommen. Viele Rumänen, die heute fern der Lande leben, verliessen es wegen politischer Verfolgung und sogar noch schweren Jahren der Haft. Es wäre schändlich unsererseits, diese nun mit den Worten der ehemaligen Funktionäre zu beschimpfen. Das rumänische Exil bedeutet, dass Hunderte von hervorragenden Professoren an den grössten Universitäten der Welt lehren, dass Tausende von Fachleuten in den mächtigen westlichen Firmen geschützt werden, dass viele Tausende von Arbeitern in den fortgeschrittensten Technologien ausgebildet sind. Seien wir stolz auf diese, verwandeln wir das Böse ins Gute und machen wir aus der traurigen, schmerzhaften rumänischen Diaspora eine erneuernde Kraft für Rumänien. Temeswar erwartet die rumänischen Exilanten mit offenen Armen. Es sind unsere Mitbürger und wir brauchen heute mehr den je ihre Kompetenz, ihr europäisches Denken und auch ihre materielle Unterstützung. Ebenso wird die rumänische Kultur erst nach der Wiederintegration der Exilkultur vollständig sein. 13. Wir sind mit dem 22. Dezember als Nationalfeiertag Rumäniens nicht einverstanden. Auf diese Weise wird der Diktator verweigert da ja jedes Mal eine Anzahl von Jahren seit seines Sturzes gefeiert wird. In den meisten Ländern, deren Nationalfeiertag an eine Revolution gebunden ist, ist es der Tag des Ausbruches der Revolution wodurch der Mut des Volkes gewürdigt wird. Ein einziges Beispiel: der Nationalfeiertag Frankreichs ist der 14. Juli, der Tag an den im Jahre 1789 die Gro8e Französische Revolution durch den Fall der Bastille begann. Deshalb fordern wir, dass der 16. Dezember zum Nationalfeiertag Rumäniens erklärt wird. Auf diese Weise werden unsere Nachkommen den Mut des Volkes, der Unterdrückung zu trotzen, feiern und nicht den Fall eines niederträchtigen Tyrannen. Mit Ausnahme der Zeitung "Romania Libera" vergass die Presse, der Rundfunk und das Fernsehen aus Bukarest fast die Temeswarer Revolution. Es werden nur die revolutionären Ereignisse vom 21. und 22. Dezember kommentiert. Wir beugen uns ehrfurchtsvoll vor den Helden aus Bukarest, Hermannstadt, Kronstadt, Tg. Muresch, Klausenburg, Arad, Reschitza und aus allen anderen Städten, die Märtyrer brauchten, um die Freiheit zu erringen. Es schmerzt und empört uns zugleich, dass man an zentraler Stelle eine Politik der Minimalisierung unserer Revolution führt, was auch ersichtlich ist aus den Bemühungen, die Zahl der Toten zu verringern. Wir waren in den Tagen der Revolution auf den Strassen in Temeswar und wir wissen, dass die Zahl der Toten viel grösser ist als die öffentlich bekanntgegebene Zahl. Wir versichern all den jenigen, die heute die Wahrheit verschweigen, dass wir nicht aufhören werden zu kämpfen, bis sie nicht als Mithelfer beim Massenmord oder Gericht waren.
Diese Proklamation entstand aus der Notwendigkeit heraus, der gesamten rumänischen Nation die wirklichen Ideale der Temeswarer Revolution bekanntzumachen. Es war die Revolution des Volkes und nur des Volkes, ohne Beitrag der Funktionäre und der Securisten. Es war eine Revolution im wahrsten Sinne des Wortes und kein Staatsstreich. Es war entschieden eine Revolution gegen den Kommunismus und nicht nur gegen Ceausescu. Man starb in Temeswar nicht, damit kommunistische Funktionäre aus der zweiten und dritten Reihe an die Spitze kommen und damit einer der am Massenmord Beteiligten zum Innenminister ernannt werde. Man starb nicht, damit die nationale und soziale Entzweiung, der Personenkult, die Zensur der Massenmedien, die Falschinformierung, die telefonischen und schriftlichen Drohungen sowie alle anderen kommunistischen Mittel der Einschüchterung offen praktiziert werden, während man von uns im Namen der sozialen Stabilisierung passives Verhalten fordert.
Timisoara, Rumänien, den 11. März 1990 |