Schriftsteller und Diplomat aus Leidenschaft: Auszug aus einem Gespräch der "WELT AM SONNTAG" mit Erwin Wickert
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WELT am SONNTAG: Später waren Sie Botschafter bei Ceausescu. Vor 15 Jahren, Sie waren längst pensioniert, lief seine Hinrichtung bei uns im Fernsehen.
Wickert: Ich geniere mich ein bißchen, aber ich hab es gern gesehen. Der hat's verdient. Was der angerichtet hatte! In Rumänien wurden jetzt meine Passagen über Ceausescu als eigenständiges Buch veröffentlicht. Es gibt dort nicht so viel zu dem Thema. Es ist ja dieselbe Crew, die an der Macht ist. Die wollten alles begraben - ähnlich wie bei uns nach 1945.
WELT am SONNTAG: War es schwer, gegenüber Ceausescu die Contenance zu wahren?
Wickert: Ich habe versucht, normal mit ihm zu reden. Wenn er unverschämt wurde, kriegte er eine dumme Antwort. Das war die einzige Möglichkeit. Die Leute haben vor mir Respekt gehabt. Als wir einmal zu einer Parteiveranstaltung reingingen, sagte ich zu dem britischen Botschafter: Ich steh da nicht mehr auf, wenn der seine markigen Worte bringt. So blieben wir sitzen - der Schweizer Botschafter hat sich angeschlossen. In den Aufnahmen sah das nachher aus wie ein Gebiß, dem ein paar Zähne fehlten. Da wurde ich zum Außenminister gerufen: Wir hätten die diplomatische Höflichkeit verletzt. Ich habe gesagt: Ich stehe auf, wenn Ceausescu das Podium betritt, ich stehe bei der Nationalhymne auf - und bin sogar aufgestanden, als Ceausescu ein Zepter bekam. Aber während er spricht: Das ist dann doch zuviel des Guten!
WELT am SONNTAG: Zur Jagd wurden Sie in Rumänien weiterhin eingeladen.
Wickert: Ja, natürlich. Wenn was vorbeiflog, habe ich als guter Beamter erst mal entschieden - soll man schießen oder nicht? Und wenn man sich entschieden hatte, war der Fasan längst weg.
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WELT AM SONNTAG, 2. Januar 2005